Mit kleinen Schritten den Status quo verändern!

Gedanken von Gabi Bergfeld zum Tag der sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar

Haben Sie eine Idee davon, was „soziale Gerechtigkeit“ meint? Je länger ich darüber nachdenke, je mehr ich mich darüber mit anderen Menschen austausche, desto überraschender mag Ihnen meine kurze Antwort erscheinen: Soziale Gerechtigkeit ist ein wunderschöner Traum. Ein Wunschtraum.

Aber schon aus der Bibel wissen wir, dass Träume uns etwas zeigen wollen, dass im Traum wichtige Begegnungen und Einsichten passieren können. Jakob sieht im Traum eine Leiter, die von der Erde bis in den Himmel reicht. Engel steigen hinab und hinauf, und Jakob vernimmt Gottes Zusage: „Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten …. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ (1. Mose 28,10-22) Salomo gar spricht im Traum mit Gott, der ihn auffordert: „Bitte, was ich dir
geben soll!“ Und Salomo wünscht sich nicht etwa Reichtum oder Gesundheit, sondern „ein gehorsames Herz“, um zu „verstehen, was gut und böse ist“ (1. Könige 3). Der weise König Salomo!

Gabi Bergfeld ist Presbyterin im Leitungsgremium der Dorper Gemeinde

Träume gering zu schätzen mit der Bemerkung „Träume sind Schäume“ missachtet die Kraft, die von visionären Träumen ausgehen kann. Ich stehe fest genug auf dem Boden der Tatsachen um wahrzunehmen, dass soziale Gerechtigkeit nicht eingelöst wird. Nicht in Solingen, nicht im reichen Deutschland, schon gar nicht in armen Ländern wie Burundi oder Bangladesch. Nirgendwo auf der Welt ist soziale Gerechtigkeit schon Realität. Aber sie ist Handlungsmaxime und Ziel politischen Handelns weltweit. Denn soziale Gerechtigkeit ist Voraussetzung für den Frieden. Darauf machen die Vereinten Nationen seit dem Jahr 2009 mit dem Tag der sozialen Gerechtigkeit aufmerksam. In diesem Jahr ist das der 20. Februar.

Daran zu verzweifeln, wäre nicht gut. Sich daran zu gewöhnen, ist herzlos und gefährlich. Viel besser ist es, kraftvoll zu träumen von sozialer Gerechtigkeit

Menschen können reich oder arm sein, das ist zunächst eine Feststellung, die sich am Einkommen messen lässt. Wenn aber Menschen selbst mit großem Willen und Anstrengung den Zustand der Armut nicht hinter sich lassen können, ist das alles andere als gerecht. Und die Wahrheit ist, dass das die Lebenssituation der allermeisten Menschen auf dieser Erde ist. Die Abhängigkeit von Almosen, von gut gemeinten Spenden oder von staatlichen Transferleistungen hilft über den Tag, aber eröffnet noch keine Perspektiven und gibt wenig Hoffnung. Wir wissen, dass die Kinderarmut auch in unserem Land von Jahr zu Jahr zunimmt. Wir wissen, dass der Zugang zu Bildung, zu bezahlbarem Wohnraum, zu medizinischer Versorgung für alle nicht gewährleistet ist. Wir wissen es. Und wir können auch wissen, dass Chancen-, Leistungs-, Bedarfs- und Generationengerechtigkeit noch nicht erreicht sind (https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-dimensionen-sozialer-gerechtigkeit-10602.htm).

Daran zu verzweifeln, wäre nicht gut. Sich daran zu gewöhnen, ist herzlos und gefährlich. Viel besser ist es, kraftvoll zu träumen von sozialer Gerechtigkeit und mit kleinen oder minikleinen Schritten zu beginnen, den Status quo zu verändern. Ich will ein paar Beispiele nennen, die Hoffnung geben und beherzt das Ziel von Gerechtigkeit und Frieden in konkretes Handeln übertragen.

In den 70er Jahren begründete Professor Muhammad Yunus in Bangladesch das System der Mikrokredite. Unternehmer, die zu arm sind, um herkömmliche Bankkredite zu

bekommen, erhalten Kleinkredite, um aus der Spirale der Langzeitarmut entkommen zu können. Für diesen ebenso schlichten wie revolutionären Gedanken hat Yunus 2006 den Friedensnobelpreis bekommen. „‚Wenn man die profit-maximierende Brille abnimmt und zur sozialen Brille greift, sieht man die Welt in einer anderen Perspektive‘, meinte er.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/muhammad_Yunus, 11.02.2022)

Mittlerweile ist auch der Mikrokreditmarkt von der Finanzwelt zur Gewinnmaximierung „gekapert“ worden. Dennoch lohnt es sich, tiefer in diese Thematik einzutauchen, um gegebenenfalls selbst auf diesem Weg Geld zur Verfügung zu stellen, mit dem mittellose Menschen sich eine Exitenz aufbauen oder faire Arbeitsbedingungen schaffen können (empfehlenswert: https://www.geld-bewegt.de/nachhaltige-geldanlage/mikrofinanzierung-geldanlage-mit-sinn-und-ohne-risiko und https://www.kiva.org/ – dies in englischer Sprache).

Als Grundschullehrerin habe ich hautnah erlebt, wie ungleich die Bedingungen und damit die Chancen für die Kinder sind, wenn sie in die Schule kommen. Oberstes Gebot wurde für mich, kein Kind zu beschämen, jedem Kind aufzuzeigen, dass es etwas kann und seinen Platz hat in der Gemeinschaft. Tragen und getragen werden, Sicherheit geben, zum Lernen verlocken statt es erzwingen zu wollen (das geht ohnehin in die Hose). Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, niemals ein Kind zum lauten Vorlesen aufzufordern, wenn es sich nicht darauf hat vorbereiten können. Mit dem geeigneten Text und der Zeit und Hilfe, die ein Kind braucht. Das sicherzustellen, ist die Aufgabe der Lehrerin.

Vielleicht ist der Tag der Gerechtigkeit auch ein guter Anlass, um über ein ehrenamtliches Engagement nachzudenken.

Vielfach hat soziale Gerechtigkeit mit einem aufmerksamen Blick und der Bereitschaft zu teilen zu tun. Das schafft noch keine strukturelle Veränderung, aber es hilft. Es hilft mindestens dem, dem ich gebe. Und es hilft mir, weil Abgeben, Teilen, Loslassen auch mich stärkt. Erinnern wir uns: „Ich versichere euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“ (Spr 14,21; Mt 10,40; Mt 28,1;  https://www.bibleserver.com/de/verse/Matth%C3%A4us25,40

Ich kann großzügig die Kollekte bedienen, ich kann einen Dauerauftrag für den Dorper Diakonieverein einrichten, ich kann zum Geburtstag über eine Hilfsorganisation eine Ziege verschenken. „Eine Ziege kann Wunder bewirken, denn sie kann eine ganze Familie, zum Beispiel in Afrika, ernähren. Die Milch der Ziegen ist sehr nahrhaft und fördert die gesunde Entwicklung der Kinder. Mit 30 Euro schenken Sie einer Familie eine stabile Lebensgrundlage – zum Beispiel im Niger. Im Niger leben die meisten Menschen unterhalb der Armutsgrenze.“ (Zit.: https://www.sos-kinderdoerfer.de/geschenkspende/ziege, https://www.worldvision.de/spenden/das-gute-geschenk#editorial-headline-252281)

Vielleicht ist der Tag der Gerechtigkeit auch ein guter Anlass, um über ein ehrenamtliches Engagement nachzudenken. Dafür muss man nicht nach Lesbos aufbrechen, um in einem Flüchtlingslager zu helfen. Aber vielleicht führt der Weg ins Team der Tafel Solingen. Dort werden immer helfende Hände gesucht https://tafel-solingen.de/wer-wir-sind/.

Autorin: Gabi Bergfeld

 Bildnachweise: privat

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